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Vom Industriedenkmal zum Standort für modernes Arbeiten und hochkarätige Kulturevents: Die Geschichte der „Alten Pumpstation“ in Haan

17. April 2018

Historisches Wasserwerk Haan, Pumpensaal 30er Jahre

Die Industrialisierung brachte der Region an der Wupper einen Aufschwung mit enormem Bevölkerungszuwachs. Die Wupper wurde durch die neuen Industrieanlagen stark verschmutzt, und Trinkwasser zu einem knappen Gut. Die Wasserentnahme aus der Ruhr kam nicht mehr in Frage, weil bereits andere Städte diesen Fluss nutzten und dadurch der Wasserstand merklich abgesunken war.  Eine Alternative war das Wasser aus dem Rhein wegen seiner guten Trinkwasserqualität. In Benrath wurde ein Wasserwerk gebaut und 1879 in Betrieb genommen.  Die eigentliche technische Herausforderung war die Überwindung  des Höhenunterschieds von 185m von Benrath bis zum Wasserspeicher in Elberfeld. Die Lösung war eine Pumpstation auf halber Strecke in Haan. Der Höhenunterschied betrug nun nur noch 88m. Direkt am Bahnhof an der Eisenbahnlinie wurde sie gebaut, betrieben mit kohlebefeuerten Dampfmaschinen. Ein Kesselhaus neben der Pumpstation sorgte bis 1934 für den Betrieb der Maschinen, die genug Druck erzeugten, um das Trinkwasser aus dem Rhein nach Elberfeld zu liefern. Mit der Elektrifizierung wurde die Pumpstation umgebaut, die Dampfmaschinen durch drei  Kreiselpumpen ersetzt, das Kesselhaus abgerissen. Durch technische Neuerungen und andere Trinkwasseranbieter verlor die Pumpstation an Bedeutung und wurde bis 1986 nur noch für den Notfall in Betrieb gehalten.

Ingenieurplan Siebel GmbH
Ingenieurplan Siebel GmbH
Pumpensaal heute

1986 bis 2011: 25 Jahre Leerstand eines Denkmals

Die Architektur der Pumpstation ist ein wichtiges Zeugnis von Industriegebäuden des 19. Jahrhunderts. Die Pumpstation ist ein eingeschossiger Backsteinbau, 20 mal 40 Meter,  mit großen Stichbogenfenstern an der West- und Ostseite, mit Kalksandsteinsockel, Lisenen, Rundbogenfries und Satteldach mit unterseitigem Tonnengewölbe und in einem guterhaltenen Originalzustand. Die ehemalige technische Ausstattung  mit Leitungs- und Pumpanlagen sowie der Steuerungs- und Regeltechnik sind größtenteils im Original vorhanden. Auch der Fliesenfußboden in der Maschinenhalle ist ebenfalls im Originalzustand. Diese Halle ist an zwei Seiten umgeben von einem erhöhten Gang, der mit einem massiven Messinggeländer gesichert ist. Der Boden dieses Gangs ist mit aufwändigem Mosaik ausgelegt, teilweise mit schwarzen, weißen, roten und ockerfarbenen Elementen.  Deshalb wurde die Pumpstation am 5. Februar 1986 in die Denkmalliste von Haan eingetragen. Dieses Gebäude ist bis heute das einzige Industriedenkmal der Stadt Haan. Nach 1986 stand das Gebäude 25 Jahre leer. Ein Architekturwettbewerbs 1990, bei dem es um die Neugestaltung des Bahnhofsgeländes unter Einbezug des Geländes der Pumpstation ging, brachte keinen  Einigung hinsichtlich der weiteren Nutzung über ein Wohnbebauung hinaus. Parallel wuchs das Interesse in der Bevölkerung, die Pumpstation für kulturelle Zwecke zu nutzen. Als ein paar Jahre später der Mettmanner Bauverein MBV das rund 15.000 m² große Gelände inklusive Pumpstation kaufte mit der Absicht, dort ausschließlich Wohnungen zu errichten, regte sich Widerstand. 2007 wurden 36 Einfamiliendoppel- und Reihenhäuser gebaut, die Pumpstation blieb mangels Konzept außen vor.

Siebels Nutzungsidee – Neues Leben in der „Alten Pumpstation“

2009. Der Architekt Jochen Siebel war auf der Suche nach einem geeigneten Ort, um einige Jubiläen seiner verschiedenen Geschäftsbereiche und Firmen zu feiern. Die Pumpstation in Haan könnte ein interessanter und vor allem ungewöhnlicher Ort für diesen Anlass sein. Er erinnert genau an den Moment, an dem er durch die knarzende Tür in den Pumpensaal des Gebäudes trat: Das Dach war undicht, die Halle lange unbeheizt, die Wände versotten. Das alles sah er natürlich, doch er sah auch etwas anderes. Vor Ort hatte er die Idee, einen Bereich der Halle abzuteilen, um dort moderne Büroräume zu schaffen. Siebel wollte die Pumpstation kaufen, um dort seinen Firmen unter einem Dach zu vereinen. Die Konsequenz: es wurde vorerst nicht gefeiert, stattdessen wurde geplant und gerechnet. Mit seinen Partnern, den engagierte Architekten und Ingenieuren Holger Bouman, Ralf Mnich und Jochen Füge setzte Jochen Siebel dieses ehrgeizige Projekt um. Die BMFS GmbH & Co.KG kaufte noch im gleichen Jahr das denkmalgeschützte Gebäude. Die „Alte Dame“ Pumpstation schrieb ab da wieder eine neue Erfolgsgeschichte.

Jochen Siebel, Ingenieurplan Siebel GmbH

Arbeiten im besonderen Ambiente

Nach einer langwierigen, akribischen Planungsphase und Überzeugungsarbeit mit vielen Abstimmungsprozessen mit der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Haan und dem Landeskonservator des LVR startete Jochen Siebel im Dezember 2010 den Umbau. Ziel der Revitalisierung des Denkmals war die Sanierung der Pumpstation mit nachhaltiger Nutzung. Ein ausgeklügeltes Belüftungssystem machte es möglich, dass Mauerwerk in kürzester Zeit zu trocknen, so dass bereits im Sommer 2011, nach nur 7 Monaten 1.000qm Büroflächen bezogen werden konnten. Drei Etagen wurden in eine Hälfte der Halle eingezogen.

Ingenieurplan Siebel GmbH
Ingenieurplan Siebel GmbH
IP Siebel Empfang

Die Büros sind komplett verglast mit Blick in die Maschinenhalle. Die neuen Wände bestehen aus Sichtbetonelementen, die alten Wände wurden in Originalzustand belassen, Backstein wurde teilweise freigelegt. Für eine angenehme Akustik in Besprechungs- und Sozialräumen sorgen Schallschutzelemente an der Decke, in die gleichzeitig die Beleuchtung integriert wurde. Altes wurde soweit wie möglich belassen, Neues so integriert und eingesetzt, dass es harmoniert und finanzierbar blieb. Rund 60 Architekten und Ingenieure arbeiten in diesem besonderen Ambiente, entwickeln und begleiten zahlreiche kreative Projekte. Nachhaltigkeit wurden in allen Bereichen groß geschrieben. So wurde zum ersten Mal in einem Denkmal innovative Haustechnik in Form einer Wärmepumpe zum Heizen und einem Eisspeicher zur Kühlung im Sommer eingesetzt. Dafür erhielt der Bauherr 2012 den RWE Innovationspreis Wärmepumpen.

Nach ein paar Jahren entstand neuer Raumbedarf bei den expandierenden Unternehmen. Das Architekturbüro Ingenieurplan Siebel erstellte ein Raumkonzept für einen 240 qm Anbau an der Stelle des alten Kesselhauses, eines der ersten Praxisprojekte , das im neu gegründeten Gestaltungsbeirat der Stadt Haan diskutiert wurde. Umgesetzt wurde ein klarer Baukörper, verbunden mit der alten Abrisswand durch ein schmales Kuppelstück. Die Wärme, die an den Südfenstern des Gebäudes entsteht, wird in die beschatteten Bereiche ins Innere der Pumpstation geleitet. Die exzellente Wahl,  den Korpus mit Corten-Stahl zu verkleiden, der den Farbton des Backsteins des alten Gebäudes aufgreift und der besondere Fensterrhythmus waren entscheidende Kriterien dafür, dass das neue Kesselhaus an der alten Pumpstation Preisträger 2017 bei der Auszeichnung guter Bauten des BDA Bergisch Land wurde.

Ingenieurplan Siebel GmbH
Ingenieurplan Siebel GmbH
Alte Pumpstation Haan mit neuem Kesselhaus

Das neue „Forum für Kunst und Kultur“

Oktober 2011, es war die Eröffnungsveranstaltung im Pumpensaal, 24 Streicher gaben ein Konzert. Die Besucher und auch die Musiker selbst waren begeistert von der exzellenten Akustik im Veranstaltungsraum unter dem gewölbten Dach. Da entstand die Idee für das „Forum für Kunst und Kultur“. Organisator des Forums ist der Kulturverein Alte Pumpstation Haan e.V., dessen Ziel und Zweck es ist, Kunst und Kultur in Haan, im Kreis Mettmann und darüber hinaus zu fördern. Auch hier ist Jochen Siebel im Vorstand aktiv tätig. Kreativität und die Nähe des Bauherrn zur Kunst durchziehen den gesamten Komplex, nicht nur den Veranstaltungssaal, im dessen Gewölbekeller aktuelle Malerei neben den fast skulpturalen Elementen der alten gusseisernen Wasserleitung von 1879 hängt.

Der Pumpensaal ist Austragungsort für Ausstellungen, musikalische Veranstaltungen, Lesungen  und Tagungen, und man beteiligt sich regelmäßig an der Nacht der Museen.  Die Kombination von besonderer Location und hochkarätigem Kulturprogramm wird von Bürgern und Besuchern und der Stadt Haan hochgeschätzt und findet auch überregional Beachtung. Mehr zum aktuellen Programm unter http://www.alte-pumpstation-haan.de/aktuelles/

Text: Monika Medam