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100 Jahre Bauhaus. „Neues Bauen“ im Bergischen Land: Teil 1

10. Februar 2019

Um es gleich vorweg zu nehmen, um noch unbekannte Bauten der Bauhaus-Meister im eigentlichen Sinne wird es in diesem Artikel nicht gehen. Dennoch wollen wir Ihnen aus gegebenem Anlass einige Objekte aus der Region vorstellen, deren Architekten stark inspiriert von den Gedanken des Bauhauses waren. Alle Gebäude sind gut erhalten und stehen unter Denkmalschutz.

„Neues Bauen“ und die Gründung des Bauhauses

Bereits in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erkannten Architekten die vielfältigen Möglichkeiten, die neue Baustoffe und -techniken mit sich brachten. Sie waren Impulsgeber für das sogenannte „Neue Bauen“, dessen Ziel es war, durch Standardisierung und die Betonung von Funktionalität, der Rationalisierung des Alltags und einer daraus folgenden sachlich-schlichte Ausstattung des Innenraums eine völlig neue Form des Bauens zu entwickeln.

Einer der Architekten, der sich diesem neuen Denken verpflichtet hatte, war Walter Gropius, der im April 1919 in Weimar das Staatliche Bauhaus gründete.  In dieser revolutionären Kunstschule wurden Architektur, Kunst, Design, Mode und Tanz neu gedacht. „Neue Sachlichkeit“ und „Neues Bauen“ waren die ganzheitlichen Leitlinien dieses Orts, an dem sich die europäische Avantgarde traf. Man wollte nach dem Ersten Weltkrieg einen bewussten Bruch mit dem Protz und Pomp der Kaiserzeit. Der wirtschaftliche Aufschwung in den 20er Jahren zog große arbeitsbedingte Bewegungen in der Bevölkerung nach sich, die in den Großstädten zu Wohnungsnot führten und nach baulichen Lösungen riefen. So entstanden großzügig bemessene Siedlungen, die neben der rationalen Planung Licht und Luft als Elemente von Lebensqualität berücksichtigten.

Seine eigentliche Blüte erlebte das Bauhaus mit seinem Umzug nach Dessau, dort wurde aus der staatlichen Kunstschule eine „Hochschule für Gestaltung“. Am 20. Juli 1933 erklärte Ludwig Mies van der Rohe die Selbstauflösung des Bauhauses, weil angesichts der zu erwartenden Repressalien durch die NSDAP kein Unterricht mehr möglich war. Eine große Zahl Lehrender und Studierender emigrierte und trug die Ideen des Bauhauses in alle Welt. 1937 wurde in Chicago von László Moholy-Nagy das „New Bauhaus“ gegründet. Walter Gropius und vor allem Ludwig Mies van der Rohe wurden zu bedeutenden und einflussreichen Architekten in den USA.

„Neues Bauen“ im Bergischen Land 

Remscheid

Der Architekt Ludwig Lemmer war von 1921 bis 1933 Stadtbaurat und Beigeordneter der Stadt Remscheid.  Er hatte großen Einfluss auf die städtebauliche und architektonische Entwicklung. Im Wesentlichen konzentrierte er sich auf den Wohnungsbau und entwickelte einen Generalsiedlungsplan. Er selbst baute Ende der 1920er Jahre einige Wohn- und Sozialbauten in Anlehnung an die Bauhaus-Architektur. Das Ärztekasino für das städtische Klinikum an der Burger Straße 211b diente ursprünglich mit Wohn- und Schlafräumen, Küche und Speisesaal dem Aufenthalt der Ärzte. Das Objekt besteht aus einer Eisenbetonkonstruktion. Mit seinen Fensterbändern, dem Flachdach, den Balkonen, dem glatten Putz und den Rundbauten besitzt es das komplette formalen und funktionale Repertoire des „Neuen Bauens“.

Dr. Arno Mersmann
Dr. Arno Mersmann
Ehem. Ärztekasino in Remscheid, Architekt Ludwig Lemmer
Stadt Remscheid
Stadt Remscheid
Ärztekasino, West- und Ostfassade

Neben den typischen Kuben ist der halbrunde Speisesaal im Obergeschoss mit durchgehender Fensterfront besonders markant, ein starker Gegensatz zu umliegenden Jugendstilbauten der Klinik. 1999 wurde das Gebäude komplett saniert. Das denkmalgeschützte Haus besitzt im Innern noch viele seiner ursprünglichen Gestaltungsmerkmale wie die Türen oder den Treppenaufgang. Heute ist es Sitz der Ärztlichen Kinderschutzambulanz Bergisch Land e.V. c/o Sana-Klinikum Remscheid GmbH.

Wermelskirchen

In den ehemaligen Flöring-Werken an der Adolf-Flöring-Str. 24 in Wermelskirchen wurden seit jeher Schuhe produziert. Der Schuhfabrikant Adolf Flöring war damals einer der größten Arbeitgeber der Stadt. Seine bekannteste Marke waren Roland-Schuhe. Er beauftragte den Architekten Heinz Groh in den 20er Jahren mit dem Erweiterungsbau seines Betriebs. Groh hatte sich schon früh auf Industriebauten spezialisiert, seine Handschrift waren die typischen Elemente des „Neuen Bauens“: kubische Formen, Flachdach, Fensterreihungen, Fenster über Eck, Stahlbeton. Die Verkleidung des Erweiterungsbaus erfolgte mit Ziegeln, um den Neubau an den Bestand anzugleichen. An den Fenstereinfassungen wurde aber deutlich gemacht, dass der scheinbare Ziegelbau in Stahlbeton-Bauweise ausgeführt wurde, ganz im Sinne der „Ehrlichkeit des Neuen Bauens“. Heute ist der Gebäude-Komplex Sitz des Senioren Parks Carpe Diem.

Dr. Arno Mersmann
Dr. Arno Mersmann
ehem. Flöring-Werke in Wermelskirchen, Architekt: Heinz Groh

Wuppertal

Der Kölner Architekt Hans Heinz Lüttgen gehörte in den 1920er Jahren der Architekten- und Künstlervereinigung der „Kölner Progressiven“ an wie zum Beispiel der Architekt Wilhelm Riphahn, der Maler Franz Wilhelm Seiwert und der Grafiker Gerd Arntz. Lüttgen entwarf zahlreiche Bauten, in Wuppertal errichtete er einen Wohnhausblock und vier Villen, zum Beispiel an der Rudolf-Ziersch-Str. 3. Die Villa war ein Auftrag des jüdischen Rechtsanwalts Dr. Fischer. Das Wohnhaus setzt sich aus Kuben zusammen, alle Fenster sind Kreuzsprossenfenster. Die abgerundeten Balkonecken und die übereck-geführten Fenster sind typische Elemente der Bauhaus-Architektur.

Stadt Wuppertal
Stadt Wuppertal
Villa in Wuppertal, Architekt Hans Heinz Lüttgen
Dr. Arno Mersmann
Dr. Arno Mersmann
Villa in Wuppertal, Detail

Lüttgen, der sich selbst als Künstler definierte, war auch sehr an Innenarchitektur interessiert und realisierte zahlreiche Entwürfe für eigene Tapeten und Textilien. Schließlich sah der Bauhausgedanke ein Gebäude als Gesamtkunstwerk an, dessen innere und äußere Gestaltung im Einklang miteinander stehen sollten. Trotz der deutlichen Orientierung an den Ideen des Bauhauses verfügen alle seine Bauten über einen individuellen Architektur-Stil.

Veranstaltungshinweis

Die Historiker Elke Brychta und Dr. Arno Mersmann, die uns freundlicherweise ihr Material zur Verfügung gestellt haben, veranstalten am 05.04 2019 eine Bustour durch einige Bergische Städte zu Bauhaus-inspirierter Architektur. Villen, Wohnhaus-Gruppen, Schulen und Fabriken oder Persönlichkeiten wie Gerd Arntz oder Oskar Schlemmer stehen im Fokus. Zu dieser Veranstaltung kann man sich anmelden unter: „Arbeit und Leben“ berg-mark@aulnrw.de oder 0202-303502. Weitere Informationen hier: http://goo.gl/xJg2hc

Monika Medam