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Corona-Pandemie und Stadtentwicklung – Teil 1 Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung

17. August 2022

Die Corona-Pandemie wirkt sich stark auf das Leben in den Städten aus. Geschäfte, Betriebe, Schulen und andere Einrichtungen mussten zeitweise schließen. Vieles verlagerte sich in die digitale Welt. Seitdem rücken Themen in den Vordergrund, die schon lange relevant für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung sind. Man spricht von der Pandemie als „Brandbeschleuniger“. In mehreren Gesprächen befragt Redakteurin Susanne Schaper, den Dipl-Ing. Architekten und Geschäftsführer BDA Bergisches Land, Christof Gemeiner, zu relevanten Themen der aktuellen Stadtentwicklung. Dabei skizziert Christof Gemeiner die neuesten Entwicklungen, analysiert Trends und entwickelt Szenarien für die Zukunft der Städteplanung. Im ersten Teil der Gesprächsreihe werden Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung ausgelotet.

Inwieweit verändert die Pandemie die Innenstädte?

Christof Gemeiner (CG): Corona wird das Gesicht der Städte dauerhaft verändern. Schon jetzt ist zu sehen, dass die Pandemie einen Innovationsimpuls gegeben hat und Entwicklungen beschleunigt, die schon vorher eingesetzt hatten. Die Menschen haben ihr Verhalten geändert und stellen bestehende Strukturen in Frage.

Können Sie Beispiele nennen?

CG: Nehmen wir die Digitalisierung. Viele Tätigkeiten sind ins Virtuelle verlegt worden. Das hätte sonst noch Jahre gedauert. Videokonferenzen sind praktisch und sparen Zeit. Viele Arbeitnehmer profitieren davon, weil sie Privates und die Arbeit miteinander verbinden können. Auch für die Arbeitgeber bietet die Flexibilisierung der Arbeitsorte Vorteile.

Geht dabei nicht der persönliche Kontakt verloren?

CG: Das Büro an sich wird erhalten bleiben, denn der persönliche Kontakt ist wichtig für die Kreativität und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Möglicherweise kommt die Bürogemeinschaft beziehungsweise der einzelne Standort aber mit weniger Schreibtischen und mit weniger Fläche aus. Ich vermeide das Wort Homeoffice, es geht vielmehr um mobiles Arbeiten. Es geht um eine bedarfsgerechte Anwesenheit in der Firma. Bei uns im Büro haben wir beispielsweise zwei Mitarbeiter, die arbeiten zwei Tage von zu Hause und drei Tage hier im Büro. Das ist sehr effizient. Das kommt den Mitarbeitenden in ihrem Lebensmodell entgegen und schafft Zufriedenheit. Das mobile Arbeiten dient auch dazu, auf die Individualität der Arbeitenden einzugehen und auf deren Bedürfnisse. Darüber hinaus hat man einen riesigen Energiespareffekt.

Welchen Einfluss hat das mobile Arbeiten auf die Architektur? Werden Häuser und Wohnungen jetzt anders geplant?

CG: Es wird zwar nicht mehr Raum als vor der Pandemie geplant, aber das Thema Flexibilität hat stark an Bedeutung gewonnen. Innenwände müssen beispielsweise flexibel änderbar sein, damit Nischen zum Arbeiten geschaffen werden können. Wohnanlagen, in denen die individuelle Wohneinheit recht klein ist, werden anders konzipiert. Es wird schon bei der Planung daran gedacht, dass man sich Räume dazu buchen kann, Stichwort Gästezimmer, Stichwort Büro, Stichwort Musikzimmer. Der Einzelne besitzt nicht mehr alles, sondern teilt es sich mit anderen. Solche Formate werden weiter zunehmen.