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Corona-Pandemie und Stadtentwicklung Teil 3 Entwicklung der 15 Minuten Stadt

17. Oktober 2022

Die Corona-Pandemie offenbart ein großes Bedürfnis nach städtischer Neukonzeption. In der dritten Folge der Gespräche zwischen Dipl-Ing. Architekt und Geschäftsführer BDA Bergisches Land, Christof Gemeiner und Redakteurin Susanne Schaper geht es um die Entwicklung der 15-Minuten Stadt. Das Konzept sieht vor, dass alle Wege des Alltags in maximal 15 Minuten beschritten werden können. Dabei sollen nachhaltige Verkehrsmittel genutzt werden. Die Strecken werden dann zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zurück gelegt.

Welche Entwicklungen beobachten Sie, wenn Sie den Verkehr in den Städten beobachten?.

Christof Gemeiner (CG): Corona ist zu einem Reallabor für die nachhaltige Verkehrswende geworden. Aus der Krise heraus boomt der Fahrradverkehr. Spontan entstehen viele Kilometer Popup-Radwege. Der Trend geht hin zu Städten, die die Alternativlosigkeit des Autos überwinden und die Raumverteilung neu bestimmen. Weg vom Auto, hin zu Fahrrädern. Schon heute wird es den Autofahrern in Megastädten wie Kopenhagen oder Paris erschwert, überhaupt noch in die Innenstadt zu fahren.In kleineren Städten wie Maastricht oder Gent wird sehr viel Fahrrad gefahren oder in eng getaktetem Rhythmus ÖPNV. Der Blick in die Niederlande zeigt, dort gibt es nur noch den shared space, der im Wesentlichen von Radfahrern und Fußgängern genutzt wird und nur noch von wenigen Autos. Bei uns in Deutschland gibt es da noch ein erhebliches Entwicklungspotenzial. Die Umwidmung von Fahrbahnen zu Fußwegen oder von Parkplätzen zu Grünzonen könnte Platz für die Stadtgesellschaft schaffen.

Hochaktuell ist derzeit das Konzept der 15-Minuten Stadt.

CG: Das ist ein wichtiger Ansatz. Innerhalb kürzester Zeit lassen sich alle wichtigen Dinge in der Stadt fußläufig oder mit dem Fahrrad erledigen. Im Klartext heißt das monofunktionale Lagen müssen aufgebrochen werden. Gäbe es überall in den Quartieren kleine Einkaufsmöglichkeiten und Betriebe, hätten wir viele Probleme gar nicht. Die Gleichverteilung von öffentlichen Einrichtungen und Betrieben ist ein sehr innovatives Konzept.

Aber steht dem nicht unsere Wirtschaft entgegen, die auf Konzentration ausgerichtet ist?

CG: Das ist in der Tat so. Es gibt also Einiges zu tun, wenn man etwas erreichen will. Da ist auch die Politik gefragt. Aber Quartiere, die gut vernetzt sind, in denen es eine hohe Diversität gibt und ein großes Angebot an Infrastruktur funktionieren oft auch sozial besser, weil es ein größeres Gemeinschaftsgefühl gibt. Es gibt mehr Begegnungsorte und Kontaktmöglichkeiten für die Bewohner, weil Arbeitsstätten, Kultur und öffentlicher Raum nicht gesondert sind von den Wohnanlagen.

Was bedeutet das für die Städte?

CG: In den Ballungszentren ist der Zuzug so groß geworden, dass die Stadt und damit die Stadtgesellschaft die Planungshoheit über die Gestaltung ihrer Städte zurück erobert und nicht mehr irgendwelchen Investoren überlässt. Die Städte können Vorgaben machen, zum Beispiel über öffentlich geförderten Wohnraum oder bestimmen, dass auch eine Kita gebaut werden muss. Das heißt, dass der Benefit für die Stadtgesellschaft heute ganz anders verhandelt werden kann als noch vor einigen Jahren. Und das sollte eine engagierte Stadtgesellschaft auch für sich in Anspruch nehmen und nutzen. Das heißt, gefragt ist ein bürgerliches Engagement im konservativen Sinne.

Im Grunde machen wir vom BDA das ja schon seit langem.